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Weniger Rente durch betriebliche Altersvorsorge?

Die betriebliche Altersvorsorge wird von allen empfohlen. Doch wer auf Teile seines Gehalts zugunsten einer Betriebsrente verzichtet, hat im Alter weniger Rente zur Verfügung. Wir erklären warum und was man besser machen kann.

Weniger Rente durch betriebliche Altersvorsorge? Wir erklären warum das passieren kann und was man besser machen kann.

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Betriebliche Altersvorsorge in Deutschland

Die betriebliche Altersversorgung gehört zur sogenannten zweiten Schicht der Alterssicherung in Deutschland. Die erste ist die gesetzliche und die (private) Basisrente. Zur zweiten Schicht gehören Riester- und Betriebsrente. Die dritte Schicht sind dann private Rentenversicherungen.

BAV-1

Bei der betriebliche Altersvorsorge (bAV) gibt es verschiedene Durchführungswege: Pensionskasse, Unterstützungskasse, Pensionsfonds, Direktzusage und Direktversicherung. Alle haben ihre Vor- und Nachteile, die hier aber nicht besprochen werden sollen. Meist entscheidet der Betrieb sich zusammen mit Steuer- und Unternehmensberatern sowie Anwälten für einen oder mehrere Wege. Vielfach wird die Direktversicherung gewählt, da sie für alle Beteiligten eine einfache und unkomplizierte Lösung ist. Dabei schließt der Arbeitgeber mit einer Versicherung eine Rentenversicherung ab. Der Vertrag „gehört“ dem Betrieb, die Leistung erhält jedoch der Arbeitnehmer.

Entscheidender und Gegenstand dieses Beitrags ist die Bezahlung des Vertrags. Da gibt es drei Möglichkeiten: eine reine Arbeitgeberfinanzierung, eine reine Arbeitnehmerfinanzierung und eine Mischform. Um die betriebliche Altersversorgung in Deutschland zu stärken, wurde 2002 das Betriebsrentengesetz dahingehend verändert, dass jeder Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Einrichtung einer Betriebsrente hat. Bietet der Arbeitgeber bislang nichts an, muss er zumindest die Möglichkeit einräumen, eine rein arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersvorsorge zu installieren.

Seit dem steigt vor allem die Zahl dieser sogenannten Entgeltumwandlungen. Dabei verzichtet der Arbeitnehmer auf einen Teil seines Bruttogehalts oder eine Erhöhung des Bruttogehalts zugunsten einer bAV.

 

 

So funktioniert die Entgeltumwandlung

Fast immer wird damit geworben, dass man Steuern und Sozialabgaben spart. Hintergrund ist, dass sich Steuern und Sozialabgaben am Bruttogehalt bemessen, ist das niedriger, sind entsprechend weniger Abgaben fällig. Um das zu veranschaulichen, hier ein Beispiel:

  Ohne bAV Mit bAV
Bruttogehalt 2.500€ 2.400€
Lohnsteuer (Single, Lohnsteuerklasse I) 342€ 316€
Sozialversicherung (Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) 523€ 502€
Nettogehalt 1.635€ 1.582€
Beitrag bAV 0€ 100€
Tatsächlicher Aufwand   53€
„Förderung“   47%

In dem Beispiel verzichtet der Angestellte also auf 100€ Bruttogehalt, die in eine Rentenversicherung gesteckt werden. Tatsächlich sinkt sein Nettogehalt jedoch nur um 53€. Findige Vertreter und Makler sprechen also von einer staatlichen Förderung von 47%. Toll! Oder?

Was der Vertreter verschweigt

Diese „Förderung“ hat jedoch auch Nachteile, über die die Vertreter, Makler und auch der Chef eher selten sprechen. Denn nicht nur die Abgaben bemessen sich am Bruttogehalt, sondern auch nahezu alle Sozialleistungen. Im Klartext heißt das, weniger Brutto bedeutet weniger Elterngeld, Arbeitslosengeld, Krankengeld, Erwerbsminderungsrente und Altersrente!

Wie sich das in Zahlen auswirkt, haben wir hier näherungsweise aufgelistet:

  Tom (ohne bAV) Stephan (mit bAV) Differenz
Brutto 2.500€ 2.400€  
Netto 1.635€ 1.582€ -53€
Krankengeld 1.295€ 1.235€ -40€
Elterngeld 1.008€ 974€ -34€
Arbeitslosengeld 980€ 950€ -30€
Volle Erwerbsminderungsrente 885€ 850€ -35€
Altersrente 1.165€ 1.120€ -45€

Die „Förderung“ von 47€ „klaut“ der Staat also wieder klammheimlich, wenn ich Sozialleistungen beziehe.

Die zweite Kehrseite der Medaille findet sich während des Rentenbezugs, also der Leistungsphase. Hierzu vergleichen wir zwei Angestellte: Tom und Stephan. Tom verzichtet auf die Entgeltumwandlung in seinem Betrieb und schließt stattdessen eine private Rentenversicherung (3. Schicht) ab. Stephan entschließt sich nach einem Vortrag eines Vertreters bei der Betriebsversammlung, in dem über die großartigen Vorteile berichtet wird, für den Abschluss einer betriebliche Altersvorsorge mittels Entgeltumwandlung. Beide sparen so 100€ im Monat für ihre Altersvorsorge. Beide beziehen später 200€ garantierte Rente aus ihrem Vertrag. Die Berechnungsgrundlagen sind jeweils die gleichen.

  Tom Stephan Differenz
Aktuelles Bruttogehalt 2.500€ 2.400€  
Bruttorente Gesetzliche Rente 1.165€ 1.120€ -45€
Bruttorente Zusatzrente 200€ 200€  
Nettorente GRV 990€ 959€ -31€
Nettorente Privat/bAV 192€ 124€ -68€
Gesamtrente 1.182€ 1.083€ -99€

Während Tom, der mit der privaten Rentenversicherung vorgesorgt hat, sich über knapp 1.200€ freut, guckt Stephan, der mittels betrieblicher Altersvorsorge vorgesorgt hat in die Röhre und wundert sich, warum er 100€ weniger im Monat erhält. Nicht nur, dass er während des Erwerbslebens weniger Sozialleistungen als sein Lieblingskollege bekommt, nein, nun hat er auch noch 100€ weniger Rente pro Monat!

Wie kann das sein?

Nun, die Rente aus einer betriebliche Altersvorsorge (2. Schicht) wird zu 100% besteuert. Die aus einer privaten Rente (3. Schicht) nur mit dem sogenannten Ertragsanteil. Das ist die Differenz aus eingezahlten Beiträgen und ausgezahlten Leistungen. Wer mit 67 Jahren später in Rente geht, muss nur 18% seiner privaten Rente versteuern. Außerdem wird auf die Betriebsrente der komplette Krankenkassen- und Pflegebeitrag fällig.

 

Anders gesagt: Was ich im Berufsleben an Sozialversicherungsbeiträgen „einspare“, zahle ich später „zurück“. Ähnlich ist es mit der Steuer. Das gilt im Übrigen auch für die „Riester-Rente“.

Doch wer profitiert nun von einer Entgeltumwandlung? Vor allem der Arbeitgeber! Denn dieser zahlt ja auf das Bruttogehalt die Arbeitgeberbeiträge. Diese reduzieren sich ebenfalls. Während jedoch der Arbeitnehmer in der Rente auf den kompletten Kosten der Krankenkasse sitzen bleibt, ist der Arbeitgeber aus der Pflicht entlassen. Daneben profitiert „der Staat“ über die gesetzliche Rentenversicherung. Einerseits zahlt er weniger gesetzliche Rente, da ja weniger eingezahlt wurde und andererseits entfällt der hälftige Beitrag zur Krankenkasse der gesetzlichen Rentenversicherung. Alle, die eine gesetzliche Rente beziehen, erhalten darüber die Hälfte des Beitrags zur Krankenkasse. Wer eine Betriebsrente bezieht, trägt diesen Beitrag komplett allein.

Fazit

Wer eine rein arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersvorsorge abschließt, verzichtet auf Sozialleistungen und hat weniger Rente. Es profitieren nur der Arbeitgeber und die gesetzliche Rentenversicherung.

BAV-2

Lohnt sich denn da überhaupt eine betriebliche Altersvorsorge?

Es kommt drauf an!

Bei einer Mischfinanzierung (Arbeitnehmer und Arbeitgeber beteiligen sich) muss man rechnen.

Bei einer reinen arbeitgeberfinanzierten betriebliche Altersvorsorge rechnet es sich immer, da es quasi „geschenktes“ Geld ist. Besteht jedoch die Wahl zwischen einer Lohnerhöhung und einer arbeitgeberfinanzierten Betriebsrente in gleicher Höhe, ist es sinnvoller, die Lohnerhöhung zu nehmen und z.B. mit einer privaten Rentenversicherung oder einem Aktiensparplan selbst vorzusorgen.

Als Denkanstoß (vor allem für Arbeitgeber) sei erwähnt, dass es auch andere Formen der Mitarbeiterförderung gibt: betriebliche Krankenversicherung, Betriebskindergärten, Tankzuschuss, Jobticket, Zuschuss zur Kantine, Rückenschule, Massage usw. Diese sind unter gewissen Umständen tatsächlich steuerfrei. Sprecht eure Chefs doch einmal darauf an! Die Arbeitgeber dürfen gern zu uns kommen und wir finden gemeinsam Ansätze.


NACHTRAG vom 30.10.2015

Da einige Leser nachfragten, haben wir noch eine Rechnung aufgemacht. Wie oben gezeigt, zahlt Stephan 100€ in die Direktversicherung ein. Durch die Förderung sinkt sein tatsächlicher Aufwand auf 53€. Wie sieht das Ganze nun aus, wenn er die Förderung nutzt, um seinen eigenen Beitrag auf exakt 100€ zu erhöhen? Dann haben Tom und Stephan einen tatsächlichen Aufwand von 100€. Durch die Förderung zahlt Stephan dann 193€ in die Direktversicherung.

  Tom Stephan Differenz
Brutto 2.500€ 2.307€  
Netto 1.635€ 1.535€ -100€
Krankengeld 1.295€ 1.187€ -108€
Elterngeld 1.008€ 936€ -72€
Arbeitslosengeld 980€ 904€ -76€
Volle Erwerbsminderungsrente 885€ 817€ -68€
Altersrente 1.165€ 1.075€ -90€

Die Sozialleistungen sinken also sehr deutlich. Wie sieht es in der Rentenphase aus?

  Tom Stephan Differenz
Aktuelles Bruttogehalt 2.500€ 2.307€  
Beitrag Zusatzrente 100€ 193€ +93€
Gesetzliche Rente brutto 1.165€ 1.075€ -90€
Zusatzrente brutto 200€ 386€ +186€
GRV + Zusatzrente netto 1.182€ 1.165€ -17€

Aufgrund des deutlichen höheren Beitrags in die betriebliche Altersvorsorge, steigt natürlich auch die ausgezahlte Rente. Allerdings wird die Betriebsrente voll versteuert und der volle Krankenkassenbeitrag wird fällig. Der Effekt ist so stark, dass die gesamten ausgezahlten Renten bei Stephan immer noch niedriger sind, als die von Tom. Stephan verzichtet also in der Sparphase deutlich auf Sozialleistungen und hat in der Rentenphase auch noch weniger als Tom, der auf die Entgeltumwandlung verzichtet hat und stattdessen auf eine Privatrente gesetzt hat.

Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen. Eine rein arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersvorsorge (Entgeltumwandlung) ist für gesetzlich Krankenversicherte sinnlos.

Wenn du uns oder unsere Beratung kennen lernen möchtest – kannst du gern HIER dein Kennlerntermin buchen.

 

 

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